Eine Eintrittskarte in die Start-up-Welt - INSIDE Future 2021 Interview mit Klaus Sailer und Jérôme Hamacher zu DICA

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An der Innovationskraft von Start-ups kommt heute keine Branche mehr vorbei. Mit dem Drink Innovation Campus (DICA) hat das zur Hochschule München gehörende Strascheg Center for Entrepreneurship (SCE) gemeinsam mit INSIDE 2018 den ersten Inkubator für Getränkewirtschaft ins Leben gerufen. Was hinter dem Accelerator-Programm steckt und warum es für Unternehmen eine große Chance bedeutet, erklären SCE Geschäftsführer Prof. Dr. Klaus Sailer und Jérôme Hamacher, Head of Co-Creation Food & Beverage Tech.

Herr Sailer, warum braucht die Branche ein Accelerator­ Programm wie DICA?

Prof. Dr. Klaus Sailer: Die Branche verändert sich. Es ist nicht mehr damit getan, einfach neue Getränke auf den Markt zu bringen. Unternehmen müssen in größeren Dimensionen denken. Wichtige Aspekte wie Nachhaltigkeit oder Gesundheit müssen innoviert werden. Wir können dabei helfen, Unternehmensstrukturen auf Dauer zu verändern. 

Jérôme Hamacher: Wichtig ist dabei, die Mitarbeiter, die teils schon seit Jahrzehnten im Unternehmen sind, auf dieser Reise mitzunehmen und sie für neue Strukturen und Denkweisen zu begeistern.

Welche Idee steckt speziell hinter DICA?

Sailer: Start-ups und etablierte Unternehmen haben lange Zeit jeweils völlig konträr ihr eigenes Ding gemacht. Die etablierten Unternehmen verfügen über Marktzugang, Ressourcen und Wissen. Dafür sind sie aber nicht so innovativ, weil sie an die Vergangenheit gebunden sind. Sie müssen ihre Kunden mit dem, was sie gewohnt sind, bedienen. Start-ups wiederum sind ungebunden, moderner, haben gute Idee und sind am Puls der Zeit. Ihnen mangelt es jedoch an Ressourcen. Bringen wir also beide Seiten zusammen, können wir Synergien nutzen. Das ist der Grundgedanke hinter DICA. Das Programm soll Unternehmen fit für die Zukunft machen und Start-ups den Zugang in den Markt ermöglichen.

Hamacher: Mit DICA schaffen wir einen Freiraum, in dem Führungskräfte und Top-Manager von etablierten Unter­nehmen das Commitment geben, gemeinsam mit Start­-ups taktisch und strategisch in die Zukunft zu denken. Nach dem Motto: Welches Puzzlestück des Start-ups passt zu unserem Unternehmen. Aber auch andersrum. DICA ist keine Einbahnstraße.

Welches Mindset müssen Unternehmen, die Teil von DICA sein wollen, mitbringen?

Hamacher: Der Bedarf an Veränderung muss erstmal ge­geben sein. Dann braucht das Unternehmen die Vision, dass Start-ups einen Beitrag zu einer Veränderung leisten können. Aber es sollte auch bereits eine Art strategischer Trichter vorhanden sein, um zu wissen, in welchem Be­reich ich meinen Betrieb weiterentwickeln bzw. verän­dern will. Das hilft, um im laufe des DICA-Programms entsprechende Partner zu identifizieren. 

Sailer: Die Getränkebranche ist eher konservativ, was In­novationen angeht. Das ändert sich mittlerweile. Denn gerade in der Food- und Getränkebranche ist Entrepre­neurship so ein spannendes Thema. Da werden wir förm­lich überrannt mit neuen Ideen.

Welche konkreten Vorteile erhalten die Industriepartner durch DICA? 

Hamacher: DICA bietet erstmal den Vorteil, dass wir beim SCE seit 20 Jahren Erfahrung in Entrepreneurship und im Umgang mit Start-ups gesammelt haben, die wir in den Dialog mit den Start-ups miteinbringen. Mit DICA sehen wir uns auch als Seismograf, um Micro-Trends aus der globalen Start-up-Welt wahrzunehmen - und zwar schon lange, bevor daraus ein echter Hype wird.

Sailer: Für etablierte Unternehmen, die bestens durchor­ganisiert sind, ist die chaotische Start-up-Welt eine frem­de Welt. Bei DICA ist der Raum dafür, eine andere Pers­pektive einzunehmen. 

Wie läuft eine Partnerschaft mit DICA ab?

Hamacher: Als ersten Schritt identifizieren wir mit den Partnern die Zukunftsthemen ihres Unternehmens. Dar­aus entwickeln sich Schwerpunkte, die wir dann mitneh­men, um im Start-up-Ökosystem nach Start-ups zu su­chen, die an Lösungen in diesen Bereichen arbeiten. An­schließend folgt das Matching Event, bei dem die Start-ups auf die Industriepartner treffen. Darauf folgt sozusagen die Dating Phase, in der gecheckt wird, wie man zusammenpasst. Das ist der Moment, wo wir den "Date Doktor" spielen und beide Seiten unterstützen.

Sailer: Man heiratet ja auch niemanden nach dem ersten Date. Man muss sich kennenlernen und gucken, wo die Stärken und Schwächen des jeweils anderen sind. Bei unternehmerischen Kooperationen muss allerdings oft alles schon im Vertrag drinstehen. Dadurch geht aber viel Innovationspotential verloren. Anders gesagt: Will ich eine Kreuzfahrt mit starr festgelegter Route? Oder lieber einen Segeltörn, bei dem ich nicht genau weiß, wo mich der Wind hintreibt, aber ich vielleicht sogar eine neue In­sel entdecke? DICA will eher einen Segeltörn bieten. Und auf diesen Törn nehmen wir gerne noch mehr Akteure der Branche mit.

Gibt es bereits erste Erfolge durch DICA?

Hamacher: Mehrere! Das anschaulichste Beispiel ist bestimmt Hassias Holunder-Bionade, dei der mittlerweile ein QR-Code drauf ist, der es Konsumenten erlaubt, die gesamte Prozesskette - von der Ernte des Bio-Holunders durch die ganzen Produktions- und Logistikschritte bis in die Flasche - zu verfolgen. So kann Bionade anhand der fälschungssicheren Blockchain-Technologie seine Verbraucher transparente darstellen, wo die Inhaltsstoffe herkommen. Diese Kooperation zwischen Bionade und dem französischen Start-up Connecting Food haben wir bei DICA initiiert. Bionade hat sich damit als erster Getränkehersteller im Bereich Food Tracing etabliert und sich dadurch eine Vorreiterrolle geschaffen.

Seit dem Start von DICA wurden über 250 Start-ups gescoutet. Davon fanden bisher 24 ihren Weg ins Förder-Programm. Bis zum Dezember läuft nun der sechste halbjährige Accelerator-Zyklus (Batch), bei dem die Partner Bitburger, Franken Brunnen, Ardagh und Drinktec an Bord sind. Turnusgemäß ausgeschieden sind zuvor Symrise, Veltins und Hassia.


Prof. Dr. Klaus Sailer ist seit 2006 Professor für Entrepreneurship an der Hochschule München sowie Geschäftsführer des SCE und Initiator von DICA.

Jérôme Hamacher hat über 15 Jahre Start-up-Erfahrung als Mehrfach-Entrepreneur, Start-up-Mentor und Head of B2B Co- Creation Food & Beverage Tech am SCE, zudem leitet er das DICA-Programm.

Zuerst erschienen im Sonderheft: "IF - INSIDE FUTURE 2021", S. 71-73, 23.09.2021.